Klar kann man davon halten, was man will – Aber im Playboy zu sein, ist einfach abgefahren. Und eine Aussage.
Andreas Gähwiler widmet sich nach seiner Tätigkeit als Berater für Business Model Innovation und einem Ausflug ins Teppich-E-Commerce jetzt mit der Marke nuffinz seinem Herzensprojekt. Dafür sieht er Communities als Quellen der Innovation und nutzt Methoden, die man als ungewöhnlich bezeichnen kann.
Mut zum Glück
Andreas Gähwiler glaubt daran, dass nur durch den eigenen ersten Schritt etwas in Bewegung kommen kann. Auch wenn man noch nicht an alle Eventualitäten gedacht hat – scheitern, lernen, aufstehen und weitermachen inklusive.
nuffinz war ja fast drei Jahre lang nur eine Art Nebenjob. Was hat dich dazu inspiriert, dann doch alles auf dein Fashion-Label zu setzen?
Ich will nicht sagen, dass ich verbrannt war. Aber ich habe 20 Jahre lang Innovationsberatung gemacht und gemerkt, dass ich immer weniger Geduld aufbringe. Außerdem wollte ich Start-ups mit Corporates aufbauen, was sich als schwierig herausgestellt hat. Damit war ich wieder hauptsächlich unternehmensberaterisch tätig, was ich eigentlich nicht mehr wollte. Gleichzeitig hatte ich den Side-Hustle mit nuffinz und das Gefühl: Das macht mir Spaß, da gibt es einen Market-Fit. Unterm Strich wollte ich nicht in 20 Jahren dasitzen und die Geschichte vom kleinen Fashion-Label erzählen, das ein paar Leute cool gefunden haben, das aber nie richtig zum Flug angesetzt hat – nur weil ich es nicht versucht habe. Da habe ich entschieden: Das geht nicht, ich mache es jetzt. Im Worst Case fahre ich es mit 300 gegen die Wand. Dann weiß ich wenigstens, dass es wirklich nicht funktioniert hat.
Du scheinst ein entspanntes Verhältnis zum Fehlermachen zu haben.
In anderen Ländern ist es überhaupt kein Problem, einmal einen Fehler zu machen. Oder zu scheitern. Auch gesellschaftlich nicht, weil man dafür nicht stigmatisiert wird. Dort wird der Mut zum Unternehmertum geschätzt und man geht schon mit einer Fail-Forward-Einstellung an die Sache ran. Und die habe ich auch. Vermutlich, weil ich mich intensiv mit Start-ups auseinandergesetzt habe. Da entstehen Probleme, da werden Fehler gemacht. Da ist es nicht unüblich einen Pivot zu machen – also das Geschäftsmodell plötzlich zu ändern, wenn man merkt, dass es irgendwo massiv harzt, oder man steckengeblieben ist. Weil man aus den Fehlern Schlüsse zieht und diese aktiv nützt. Ich glaube, um erfolgreich zu sein, muss man sich einfach einmal bewegen, auch wenn es bedeutet, dass man nicht alles durchdacht hat.
Was war das größte Learning, das du aus deinen Fehlern mit nuffinz mitgenommen hast?
Mind your business plan! Nicht, dass alles, was da drin steht, auch für alle Ewigkeit gültig sein muss. Indem wir unseren Business-Plan zu schnell in der Schublade verschwinden haben lassen, haben wir allerdings einen Fehler gemacht, den wir uns von anderen E-Commerces hätten abschauen können. Kurz gesagt: Wir haben schnell ein Forecasting-Problem entwickelt, weil wir uns bei einem vollen Lager aufs Verkaufen, die Verbesserung der Customer Journey, die Entwicklung des Shops und aufs Online-Marketing konzentriert haben. Wir haben dabei aus den Augen verloren, wie schnell der Sales-Cycle ist und sind plötzlich mit zu wenig Ware da gestanden. Wenn du dann auch noch das Marketing in der Hoffnung weiterlaufen lässt, dass du die Ware verkaufst, die du noch da hast, konvertiert es zu schlecht. Da durften wir viel Lehrgeld zahlen und haben uns weiterentwickelt. Heute folgen wir einem klaren Line-Plan, der die verschiedenen Drops aufzeigt und Deadlines für Bestellung und Entwicklung festlegt.
Mut zum Machen.
Mitten in Europa – in Zeiten wie diesen – in einer Branche, in der man keinerlei Erfahrung hat, eine Fashion-Brand aus der Taufe zu heben – das erfordert eine ordentliche Portion Mut. Er hat es gemacht. Weil er sich nicht irgendwann vorwerfen wollte, zu bequem oder zu feig gewesen zu sein.
„Ich mache es jetzt. Im Worst Case fahre ich es mit 300 gegen die Wand. Dann weiß ich wenigstens, dass es wirklich nicht funktioniert hat.“
Mut zum Humor
Unternehmer sein darf – oder besser muss – auch Spaß machen. nuffinz spielt gekonnt mit dem kleinen Augenzwinkern und bietet jede Menge Möglichkeiten, Neues zu entdecken. Immer mit Hirn und Esprit. Vom Packaging bis zu den Give-aways.
What if money was no object – Was würdest du tun, wenn Geld keine Rolle spielen würde?
Erstmal nichts anderes als bisher: Die bequemsten Shorts und Pants der Welt herstellen und alles geben, um das zu einem guten Geschäft zu entwickeln. Dafür würde ich erstens das Team vergrößern. Wir können viele Vorhaben nicht in Angriff nehmen, weil uns die Kapazität fehlt. Und zweitens mehr Zeit und Geld ins Marketing investieren. Wir haben in den letzten drei Jahren viel ausprobiert. Nicht alles hat funktioniert und wir haben dabei viel gelernt. Dieses Jahr steht unter dem Thema Fokus – Das Ziel ist, das Erlernte elegant aufs Parkett zu bringen. So schaffen wir die Tochpoints, die für nuffinz den größten Mehrwert haben.
Und welche sind das?
Wir versuchen beispielsweise nicht, ins GQ zu kommen oder pumpen auch nicht ohne Ende Aufwand in Instagram. Mindestens gleich wichtig sind für uns Medien, mit denen wir unsere Marke in die richtige Richtung aufladen können. Beispielsweise nutzen wir LinkedIn und Networking, um auf Events eingeladen zu werden und unsere Geschichte möglichst vielen zu erzählen, für die nuffinz gemacht wurde. Und, um uns mit anderen Herstellern über Marketing-Outcomes auszutauschen. Außerdem arbeiten wir daran, unsere Street Credibility zu stärken und das, ohne viel Geld für Ads oder bezahlte PR auszugeben. Um in den Business Punk zu kommen, mussten wir echt hartnäckig sein. Es hat zwar Jahre gedauert, bis wir wahrgenommen wurden. Auch für unseren Claim musste ich mutig sein. Als ich mich bei 2-Minuten-2-Millionen mit einem Schild präsentiert habe, auf dem „free your balls“ stand, war das Beraterimage natürlich dahin. Natürlich muss man auch ein bisschen Mut aufbringen, die eigene Marke im Playboy zu platzieren. Aber das geht jetzt schneller als beim Business Punk. (lacht)
Der Playboy?!
Ja, da werden wir demnächst ein Gewinnspiel machen und wahrscheinlich in der Modestrecke sein. Klar ist nicht jeder Fan davon – aber man kann davon halten was man will: Mit nuffinz im Playboy zu sein, ist einfach abgefahren. Und eine Aussage. Außerdem ein weiterer wichtiger Social Proof, der nicht aus der Advertising-Ecke kommt und daher ganz besonders wertvoll ist. So sehe ich das jedenfalls.
„Wir sprechen die an, die sich darauf freuen, abends heimzukommen, ihre ‚Ver-Kleidung‘ abzuwerfen und mit der gestreiften nuffinz am Grill zu stehen.“
Heißt das, auch Werbung mit Influencern und Content-Creatoren ist wichtig für euch?
Wenn man mit Micro- und Nano-Influencern bzw. Content Creatoren zusammenarbeitet, ist es ein Riesenaufwand, die zu handlen, weil die halt einfach oft semiprofessionell sind. Bei den bekannten und großen Influencern bekommst du einerseits eine Mega-Reichweite. Das kostet aber auch ein Mega-Budget. Am Ende des Tages konvertiert es aber fast immer schlecht – für uns haben die Zahlen jedenfalls nie gestimmt. Auch irgendwie logisch, weil die für alles Werbung machen. Was für uns funktioniert, sind langfristige Partnerschaften, wie wir sie mit Ben Beholz haben. Weil das eine großartige Qualität hat und er als Typ einfach authentisch, sympathisch und glaubwürdig ist.
Wisst ihr, wieviel Trust es braucht, bis jemand überzeugt ist?
Das ist ähnlich wie beim Business Punk: recht viel. Klar gibt es Impulskäufer, aber wenige. Meistens ist es so, dass wir die Marke erst in den Köpfen der Käufer „erzeugen“ müssen. Nur wegen einer Ad auf Instagram kauft noch keiner bei dir. Im Zweifelsfall kennt man dich nicht, weiß nicht genau, ob das stimmt, was du da von den bequemsten Hosen der Welt erzählst. Wir haben gelernt, dass es für eine neue Marke wie nuffinz doch einige Touchpoints braucht, bis jemand schlussendlich bei uns kauft.
Woraus lässt sich das ableiten?
Wir machen beispielsweise eine Post-Purchase-Survey und bitten unsere Kunden direkt nach dem Kauf ein paar Fragen zu beantworten. Jeder Vierte oder Fünfte füllt das aus und erzählt uns, wie er zu uns gefunden hat. Wir sind sehr dankbar dafür, weil es uns wertvolle Informationen liefert. Die Attribution der Online-Marketing-Kanäle ist durch die Privacy-Thematik natürlich nicht mehr über jeden Zweifel erhaben, wie auch wir feststellen. Immer mehr hingegen sagen uns, sie kennen uns über einen Freund. Das ist natürlich das beste Marketing für uns. Alles in allem hilft uns dieser Prozess sehr dabei, unsere Marke dynamisch weiterzuentwickeln.
Mut zur Reduktion
Viel auszuprobieren mündet darin, zu lernen, was sich passend für die eigene Marke anfühlt. Und führt einen oft zurück zum Ursprung. Ohne das künstliche Hinzufügen und Aufbauschen unnötiger Features.
Mut zum Ungewöhnlichsein
Nicht dieselbe Welle surfen, auf die sich alle stürzen – das ist Credo bei nuffinz. Und so ist die Stärkung der Street Credibility und des Social Proof wichtiger als manch klassische Maßnahme. Da passt der Playboy perfekt ins Programm.
Wie dynamisch ist diese Weiterentwicklung der Marke?
Einerseits sehr dynamisch. Andererseits hat sie eine DNA zu der die Entwicklung passen muss. Auf die kommen wir jetzt gerade wieder zurück, nachdem wir uns eine Zeit lang ein bisschen zu sehr auf Performance Marketing konzentriert haben und uns einreden haben lassen, dass wir die Features der Hosen herausarbeiten müssen. Das hat in Produktmarketing gemündet, das sich nicht mehr passend angefühlt hat. Weil die Hose keine Features hat, die wir aufbauschen müssen. Wir sind genau das Gegenteil. Wir sind non-functional.
Welche Rolle spielt Mut in dieser DNA?
Eine zentrale Rolle. Die eigentlich Botschaft von nuffinz ist ja: Hab den Mut, deiner Leidenschaft zu folgen. Wir sprechen jetzt schon viele an, die tagsüber sehr gehetzt und in einer Art „Ver-Kleidung“ unterwegs sind. Weil sie Versicherungsvertreter sind. Oder in der Bank arbeiten. Da muss man etwas „darstellen“, mit Anzug, Hemd und Pipapo. Die freuen sich aber auch darauf, abends heimzukommen, ihre "Ver-Kleidung" abzuwerfen und mit der gestreiften nuffinz am Grill zu stehen. Und es gibt die, die mit ihrer nuffinz in Urlaub fliegen oder spazieren gehen. Die erkennen sich dann aber auch gegenseitig auf der Straße. Solche Geschichten und Momente sind einfach schön und machen mich stolz, auch in weniger guten Momenten.
Nutzt ihr Marketing auch als Innovationstool?
Absolut. Wir sind ja eine „Digital Native Vertical Brand“. Dementsprechend nutzen wir die Kanäle auch, um auszuprobieren, zu analysieren und um Community und Netzwerk aufzubauen. All das hilft, Marktforschung zu betreiben. Und die Conversion-Rate für ein Produkt ist innerhalb einer Community extrem hoch. Wir merken zum Beispiel, wie wichtig ein guter Newsletter für uns ist, in dem wir über die neuesten Angebote informieren. Einmal im Halbjahr schicken wir auch eine „Message from the Founder“, in der ich über die Entwicklungen von nuffinz infomiere. Die konvertiert sehr gut und wir erhalten auch viel wertvolles Feedback.
Welche Innovation wird aus deiner Sicht in nächster Zeit die größte Relevanz haben?
Eindeutig KI. Schon heftig, wie diese Lawine gerade daherkommt. Fast so, als ob das Internet neu erfunden wird. Oder wie damals, als Google mit einer Suchmaske plötzlich im Internet erschienen ist. Das erzeugt Neugier, aber auch viel Angst in einigen Branchen. Klar, vielleicht denkt sich die KI irgendwann, dass wir hier fehl am Platz sind. Aktuell schafft es aus meiner Sicht viele Möglichkeiten, weil es wie ein neuer Schraubenzieher oder ein virtueller Assistent ist. Ich bin jedenfalls schon gespannt, wie wir das in fünf Jahren sehen, wenn meine Tochter mich fragen wird, was wir damals mit dieser Maus und der Tastatur gemacht haben und ob das nicht sau-langsam war. (lacht)
Und was ist mit Nachhaltigkeit?
Das ist aus meiner Sicht jetzt schon zum Must-Have geworden. Wenn man über Zukunft und Nachhaltigkeit nachdenkt, glaube ich allerdings, dass wir uns zu stark auf das Material konzentrieren, aus dem Produkte hergestellt werden. Tatsache ist: Die Textilbranche ist einer der größten Umweltverschmutzer der Welt – aber deswegen, weil so viel weggeworfen wird und der Markt viel zu viele Kollektionen wünscht. Fast Fashion ist ein riesiges Nachhaltigkeitsproblem, weil die Haltbarkeit der Produkte so gering ist. Und weil es absurde Distanzen sind, die zurückgelegt werden, bis der Konsument ein Produkt in Händen hält. Zudem hat die Materialdiskussion die Arbeitsbedingungen bei den Produzenten in letzter Zeit ein wenig aus dem Fokus gerückt.
Jetzt haben wir eigentlich nur über eines noch nicht gesprochen: Die Rettung der Welt. Dein Tipp dazu?
Ich weiß nicht, ob es die Welt retten kann, aber wenn mehr Menschen den Mut hätten, das zu tun, wofür sie brennen, würde das die Welt sicher besser machen. Für solche Menschen machen wir nuffinz, weil unser Claim ja im Grunde bedeutet, sich von gesellschaftlichen Einschränkungen zu befreien. Also: Sei mutig. Hab Spaß. Entwickle deine Passion weiter. Free your balls.
Mut zur Perspektive
Assets wie Logos und Claims sind bei nuffinz besonders oft den Trägern zugewandt oder im Revers versteckt. Das Understatement schlägt für Andreas Gähwiler die laute Kommunikation nach außen.
nuffinz ist ein junges, unabhängiges Männermodelabel aus Bregenz in Österreich und hat sich zum Ziel gesetzt, die bequemsten Pants und Hosen der Welt herzustellen. #FREEYOURBALLS lautet das Credo, "Hakuna Matata" das persönliche Motto.